Die Magie der Besitztümer

Jedes Mal, wenn ich meine Mutter in Düsseldorf besuche, wundere ich mich, wieviel Besitz man in seinem Leben anhäufen kann. Deshalb weckte auch die biografische Geschichte "The Life of Stuff" ("Was bleibt: Über die Dinge, die wir zurücklassen") von Susannah Walker meine Neugier. Die Autorin erzählt, wie sie sich durch den Nachlass ihrer Mutter, einer Horterin, kämpfte. Jedes Kapitel ist einem Objekt wie einem roten Glasvogel, einem Serviettenring oder Kochbüchern gewidmet. Anhand dieser Gegenstände versucht sie, ihre Mutter besser kennenzulernen und sie zu verstehen. Keine leichte Aufgabe, denn sie war liebesunfähig, verließ die Familie, als die Tochter acht Jahre alt war, litt unter Depressionen und zunehmender Alkoholsucht.
Tag für Tag fährt Susannah Walker nach Worcester, säubert die Wohnung, mistet aus und sortiert die hinterlassenen Besitztümer. Es ist fast unheimlich, wie man dabei die Präsenz der verstorbenen Mutter spürt. Ganz gleich, ob sie Fotoalben oder Geschirr beschreibt, werden entweder einige wenige glückliche Momente aus ihrer Kindheit oder auch schmerzvolle Erfahrungen wieder lebendig. Immerhin teilten Mutter und Tochter die Leidenschaft für Gegenstände und begeisterten sich für Kunst und Flohmärkte. Doch während die Mutter wahllos hortete und ihre Wohnung zumüllte, lebt die Tochter ihr Interesse beruflich aus. Sie hat in Museen gearbeitet und schreibt über die Geschichte und die verborgene Bedeutung von Häusern und Gegenständen.
Die Magie des Ausmistens und Aufräumens liegt ja voll im Trend. Auch Susannah Walker verfolgte mit großem Interesse Fernsehreportagen über das Thema, ahnte aber sicher nicht, welche starken Emotionen dabei ausgelöst werden. Sie schwankt zwischen der Erleichterung, nicht mehr für das Glück ihrer Mutter verantwortlich zu sein, Schuldgefühlen, dass sie so empfindet, Wut und Enttäuschung. Sie trägt Schicht für Schicht ab, in der Hoffnung, nicht nur die Wohnung, sondern auch das verkorkste Leben der Mutter nachträglich wieder in Ordnung bringen zu können, was natürlich ein Trugschluss ist.
Besonders gut gefiel mir, wie sie die Beziehung zwischen Menschen und ihren Besitztümern aus verschiedensten Blickwinkeln analysiert. Sie beschreibt mögliche Gründe, warum bestimmte Objekte mit Bedeutung aufgeladen werden, welche Ausmaße dies beispielsweise auf Auktionen annehmen kann und warum manche von ihnen in Museen enden. Ein sehr persönliches Buch, das emotional aufwühlt und zum Nachdenken anregt.