YukBook.me

Stories & Design

Packendes Psychogramm

2019-05-21
Beauval
Packendes Psychogramm

Schauplatz des Romans „Drei Tage und ein Leben“ von Pierre Lemaitre ist Beauval, ein Ort in Nordfrankreich, in dem selten etwas Spektakuläres passiert. Im Dezember 1999 kommt es jedoch zur Verkettung gleich mehrerer dramatischer Ereignisse, in dem der zwölfjährige Antoine und das Verschwinden des sechsjährigen Nachbarsjungen Rémi im Mittelpunkt stehen.

Wäre alles anders gekommen, wenn Antoine mit seinen Freunden PlayStation gespielt hätte statt sich in den Wald von Saint-Eustache zurückzuziehen oder sein Nachbarshund nicht überfahren und vom Besitzer erschossen worden wäre? Fakt ist, dass er immer mehr in die Einsamkeit und zu einer äußerst aggressiven und folgenschweren Tat getrieben wird.

Lemaitre beschreibt mit viel Sensibilität, was im Kopf des Teenagers vorgeht, auf den eine irrsinnige Bürde lastet. Gezwungen, alle Entscheidungen selbst zu treffen, da er sich keinem anvertrauen kann, malt Antoine sich mit grenzenloser Fantasie die Konsequenzen seiner Tat aus und spielt alle möglichen Szenarien durch, eins qualvoller als das andere.

Während es in Antoines Innerem brodelt, sind auch die Dorfbewohner in heller Aufruhr und starten eine Suchaktion nach dem vermissten Jungen. Mit feiner Beobachtungsgabe und stellenweise einer Portion Sarkasmus beschreibt der Autor, wie angestaute Aggressionen, persönliche Fehden und Rachsucht unter den Bewohnern in dem tragischen Vorfall ein Ventil finden. Schon bald wird das Ereignis jedoch durch eine neue Katastrophe abgelöst, als ein schweres Unwetter über das Dorf hereinbricht.

Gemeinsam mit den Figuren durchleben wir ihre Schicksale, die geprägt sind durch Missgunst, Lügen, Geheimnissen und Schuld. Lemaitres außergewöhnlicher Schreibstil und die raffinierte Dramaturgie mit vielen Wendungen hat mich bis zum Schluss gefesselt.