Zwei Geschwister – zwei Wege

Die Protagonisten in "Half a world away" von Mike Gayle könnten unterschiedlicher nicht sein. Kerry ist alleinerziehende Mutter und arbeitet als Putzfrau in privaten Haushalten. Sie ist temperamentvoll, offen, mutig und hat eine Schwäche für Glitzer und schrille Farben. Noah dagegen ist ein eher verschlossener Typ, Anwalt und steckt in einer Ehekrise.
Was die beiden verbindet? Sie sind Geschwister. Dies erfährt Noah jedoch erst, als es seiner acht Jahre älteren Schwester gelingt, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Ihr Wiedersehen nach 30 Jahren in einem Café gehören zu den bewegendsten Szenen des Romans.
Während Kerry ihr ganzes Leben darauf gewartet hat, ihren geliebten Bruder wiederzusehen, dem sie seit ihrem 18. Lebensjahr regelmäßig Briefe schrieb, lehnte Noah es ab, sich mit seiner Vergangenheit und seiner Adoption zu beschäftigen. Die Begegnung mit Kerry zwingt ihn jedoch dazu und macht ihm bewusst, dass er sich mit dem Thema auseinandersetzen muss, um gesunde soziale Bindungen eingehen zu können und damit auch seine Ehe zu retten. Kerry ihrerseits möchte ihrem kleinen Sohn die Qualen ersparen, die sie als Kind erleiden musste und setzt ihre ganze Energie darauf, eine gute Mutter zu sein.
Mit sehr feinem Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen beschreibt Mike Gayle gegensätzliche Temperamente, die aufeinanderprallen, der Wunsch nach einer intakten Familie und die Bedeutung von Fürsorge und Verantwortungsbewusstsein. Es war fast ein Quäntchen zuviel an Schicksalsschlägen und überwältigenden Emotionen. Nichtsdestotrotz hat mich die Geschichte sehr gefesselt.