Reise in den eigenen vier Wänden

Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis wir wieder verreisen können. Vielleicht sollte ich mir ein Beispiel an Xavier de Maistre nehmen und eine Reise in meinen eigenen vier Wänden unternehmen. Nach einem verbotenen Duell im Jahr 1790 wurde der französische Offizier in Turin zu 42 Tagen Stubenarrest verurteilt und nutzte diese Zeit für eine Entdeckungsreise quer durch sein Zimmer.
Die Tour beginnt am Sessel vor dem Kamin und führt ihn im Zickzack-Kurs zu seinem Bett, Schauplatz von Leiden und Glückseligkeit. Auf dem Weg zum Schreibtisch bleibt sein Blick an zahlreichen Stichen und Gemälden hängen, die sentimentale Erinnerungen hervorrufen. Während seiner Beobachtungen und Entdeckungen verliert er sich immer wieder in ausschweifenden Gedanken über Körper und Seele des Menschen, die Kunst, Literatur, Philosophie und Naturwissenschaften. Ebenso sinniert er über seinen Diener Joannetti oder seinen Hund Rosine.
Xavier de Maistre versäumt es nicht, die Vorzüge der Zimmerreise hervorzuheben, zum Beispiel dass sie weniger Risiken birgt, vom Wetter unabhängig ist und nichts kostet. Mit seinem Buch möchte er nicht nur seine interessanten Beobachtungen teilen, sondern hofft auch auf viele Nachahmer. Tatsächlich wurden „Zimmerromane“ en vogue und inspirierten Schriftsteller wie Oscar Wilde oder Marcel Proust. Uns ist solch eine Reise vielleicht zu fad, aber den Autor lesend oder in einem Hörspiel zu begleiten, ist ein unterhaltsames Vergnügen.