Zu Recht ein Klassiker

"Sorge dich nicht – lebe!" Der Titel des Bestsellers von Dale Carnegie mag für manche in der aktuellen Krise wie ein schlechter Witz klingen. Das Buch richtet sich jedoch nicht nur an diejenigen, die ohne Grund in ständiger Sorge leben, sondern macht auch Menschen, die sich tatsächlich in existenzieller Not und scheinbar ausweglosen Lage befinden, Mut.
Der 1955 verstorbene Kommunikations- und Motivationstrainer wuchs als Sohn einer Farmer-Familie in ärmlichen Verhältnissen auf, arbeitete sich langsam empor und bot Kurse in freier Rede an. Gleich am Anfang weist er darauf hin, dass er in seinem Buch keine neuen Erkenntnisse präsentiert, sondern uns einen Anstoß geben will, sie in die Praxis umzusetzen.
Eine davon ist überaus simpel und trotzdem wende ich sie selten an: Erst alle Fakten zu sammeln und auszuwerten, bevor man versucht, ein Problem zu lösen. Wie bin ich das letzte Mal vorgegangen, als mich ein Konflikt bis in meinen Schlaf verfolgte? Ich bin natürlich gleich zu Phase drei gesprungen und suchte fieberhaft nach einer Lösung.
Der Tipp, sich die schlimmste Konsequenz einer misslichen Lage vorzustellen und sich dafür bereits eine Lösung zu überlegen, klingt ebenfalls einleuchtend – obwohl mich der Gedanke, mich so eingehend mit dem Worst Case zu beschäftigen, etwas abschreckt. Wenn ich ihn mir vorher schon so genau ausmale, tritt er dann nicht erst recht ein? Andererseits wäre ich den quälenden Gedanken, dass ich dem Problem hilflos ausgeliefert bin, schnell los.
Ich war erstaunt, wie gründlich sich Dale Carnegie mit dem Thema Sorgen und Ängste beschäftigt hat. Er nennt zahlreiche Beispiele, wie es prominenten Unternehmern, Politikern und Schriftstellern gelang, Trübsinn zu heilen, Schicksalsschläge zu bewältigen, Zuversicht und Selbstvertrauen zu gewinnen oder mit der Kritik anderer fertig zu werden. Er hat Recht: Die Grundsätze sind nicht neu und wurden teilweise schon von Denkern wie Aristoteles oder Marc Aurel vermittelt. Doch die Art und Weise, wie Carnegie diese Erkenntnissen in konkrete Empfehlungen umwandelt und sie mit anschaulichen Beispielen und persönlichen Erfahrungen bereichert, sorgt für eine sehr lehrreiche, inspirierende und unterhaltsame Lektüre. Das Buch erschien 1948, hat jedoch nichts von seiner Aktualität eingebüßt.