Zuschauen. Zuhören. Schreiben.

Der Name Natalia Ginzburg sagte mir bisher nichts, und doch reizte es mich, die Biografie „Die Freibeuterin“ von Sandra Petrignani zu lesen – wohl deshalb, weil sie nicht nur eine Lebensgeschichte erzählt, sondern auch Einblick in die Literaturszene Italiens und das Verlagswesen im 20. Jahrhundert gibt.
Zu Beginn erfahren wir viele Details über Ginzburgs Kindheit in Turin – ein bedeutsamer Lebensabschnitt, der ihr Gesamtwerk stark prägen wird, besonders ihr Hauptwerk „Familienlexikon“. Daraus zitiert Petrignani sehr häufig, ebenso aus ihren Gedichten, Essays, Kurzgeschichten und Theaterstücken. Immer wieder gleicht sie fiktive und reale Personen ab und bringt uns nicht nur Ginzburgs Blick auf die Welt, sondern auch das politische Zeitgeschehen wie die antifaschistische Widerstandsbewegung näher.
Mit großer Detailverliebtheit widmet sich Petrignani einzelnen Personen, die in Ginzburgs Leben eine wichtige Rolle spielten, angefangen mit ihrem cholerischen Vater, ihren ersten Ehemann Leone Ginzburg, der den Verlag Einaudi gründete, und bekannten Künstlerkollegen wie Italo Calvino und Alberto Moravia. Für meinen Geschmack waren es zu häufige inhaltliche Ausschweifungen, die mich etwas überforderten.
Mein Interesse galt eher einigen wenigen Personen, darunter der Schriftstellerin Elsa Morante, zu der Natalia eine besondere Beziehung hatte, und ihrer Arbeit als Lektorin bei Einaudi inmitten von männlich dominierten Intellektuellen. Angetan war ich auch von den Passagen, die Ginzburgs Innenwelten beschreiben, zum Beispiel wie sie sich als Kind ihre eigene Welt schaffte und später ihren gesamten Bekannten- und Verwandtenkreis als Beobachtungsfeld nutzte, um über Unvollkommenheit, Neurosen und Chaos zu schreiben.