Ein Wunderkind auf Reisen

Es gibt sicher nicht wenige Eltern, die ihre eigenen unerfüllten Träume auf ihre Kinder projizieren. Doch kaum einer hat es wohl so konsequent und gnadenlos durchgezogen wie Friedrich Wieck, Vater der weltberühmten Pianistin und Komponistin Clara Schumann. Von dieser symbiotischen Beziehung zwischen Vater und Tochter handelt die Romanbiografie „Das Mädchen am Klavier“ von Rosemarie Marschner.
Friedrich Wieck ist Inhaber einer Klavierfabrik und angesehener Musikpädagoge in Leipzig. Seine ganze Hoffnung setzt er jedoch allein auf Clara, die schon als Kind mit ihrem virtuosen Spiel Paganini und Goethe begeistert. Wieck kann es gar nicht erwarten, das Wunderkind der Welt zu präsentieren. Nach einer Tournee durch Erfurt, Gotha, Kassel und Frankfurt soll im Jahr 1832 das Publikum in Paris erobert werden.
Man könnte Mitleid mit der jungen Pianistin haben, die zu strengster Selbstbeherrschung, Disziplin und Konzentration erzogen wird und im Gegensatz zu ihren zwei Brüdern ein streng durchgetaktetes Leben hat. Erstaunlicherweise fühlt jedoch Clara ganz ähnlich wie ihr Vater und geht so sehr in ihrem Klavierspiel und ihren Auftritten auf, dass sie jede Qual auf sich nimmt. Die Beziehung wird jedoch gefährdet, als sich die Pianistin in den Komponisten Robert Schumann verliebt.
Ähnlich wie in ihrer Romanbiografie „Good Morning Mister Mendelssohn“ gelingt Rosemarie Marschner auch in diesem Buch eine sehr genaue und wunderbar geschriebene Charakter- und Milieustudie. Sie beschreibt sowohl den unersättlichen Ehrgeiz und den ständigen Kampf um Anerkennung als auch die berauschenden Glücksmomente vor dem jubelnden Publikum.
Schade, dass der Roman nur von Claras Jugendzeit handelt. Manches wiederholt sich, zum Beispiel die Schilderung der Konzertreisen oder die heimliche Korrespondenz mit Robert Schumann. Stattdessen hätte ich gern erfahren, wie es im Leben der gefeierten Pianistin weitergeht.