Eine Ringarde kämpft sich hoch

Dass die Netflix-Serie „Emily in Paris“ beim französischen Publikum nicht so gut ankam, kann ich mir gut vorstellen. Die französische Hauptstadt hat doch wohl weit mehr zu bieten als kitschige Postkartenmotive, Croissants, Haute Couture und Champagner. Wie kommt es dann, dass die Serie trotzdem auf Nummer 1 steht?
Vielleicht liegt es an der quirligen und aufgeweckten Figur Emily, die aus Chicago zu einer Marketingagentur in Paris geschickt wird, um ihr die amerikanische Perspektive auf den Konsum zu vermitteln. Oder an dem gut aussehenden Nachbarn und Koch Gabriel, dessen Charme sich nicht nur Emily, sondern vermutlich der Großteil des weiblichen Publikums schwer entziehen kann.
Ich fürchte, nach „Melrose Place“ und „Sex and the City“ hat der erfolgreiche Autor Darren Star mich auch mit dieser Serie geködert. Er bleibt seiner Masche treu: Schöne Menschen im schicken Outfit und stylischem Ambiente stellen sich beruflichen und beziehungstechnischen Herausforderungen.
Dabei geht er natürlich mit der Zeit: Was für Carrie Bradshaw die Kolumne in der Zeitung „New York Star“ war, ist bei Emily ihr Instagram-Account mit rasant wachsender Followerzahl. Eines muss man Emily lassen: Sie versteht es, mit originellen Ideen klassische Werbekampagnen social-medial-tauglich zu machen und Aufsehen zu erregen. Auch wenn sie als "Ringarde" abgestempelt und von ihrer Chefin schikaniert wird, lässt sie sich nicht unterkriegen. Wer überstrapazierte Klischees in Kauf nimmt, kann für eine Weile aus dem Alltag in eine grellbunte Welt entfliehen und sich über die Machtkämpfe in der Agentur und zwischen angesagten Modedesignern amüsieren.